Inhalte und Organisation

Warum Ausbildung in Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie?

Von psychischen Störungen wie Essstörungen, ADHS, Angststörungen, aggressiven Verhaltensauffälligkeiten oder Depressionen sind nahezu 20% aller Kinder und Jugendlichen betroffen. Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter sind vergleichsweise stabil und erhöhen das Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung im Erwachsenenalter signifikant. Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist also gleichzeitig auch Prävention. Trotz der Relevanz und des hohen Bedarfs besteht ein signifikant schlechteres Angebot an evidenzbasierter Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Besonderheiten in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Kinder sind besonders schutzbedürftig und haben einen besonderen Anspruch auf eine qualitativ hochwertige psychotherapeutische Behandlung. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen benötigen ein umfangreiches psychologisches und insbesondere entwicklungspsychologisches Grundlagenwissen, Wissen und Erfahrung über verschiedenste evidenzbasierte Psychotherapiemethoden und einen guten Umgang mit den hohen ethischen und fachlichen Anforderungen.
Ein*e Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in arbeitet sowohl mit Kleinkindern als auch mit jungen Erwachsenen bis zum 21. Lebensjahr, sowie mit deren Bezugspersonen (Eltern, Lehrkräfte, Pädagog*innen). Das macht Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie zu einer abwechslungsreichen, spannenden und vielfältigen Arbeit, erfordert jedoch ein sehr weitreichendes sowie spezifisches praktisches Wissen.

Berufsfelder und Berufsaussichten

Mögliche Beschäftigungsfelder für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen sind beispielsweise Beratungsstellen, Kliniken, und die Selbständigkeit. Sie haben sehr gute Berufsaussichten und bekommen meist schon während der Ausbildung ein Stellenangebot. Aufgrund der großen Unterversorgung im Kinder- und Jugendbereich bieten sich oft größere Chancen auf einen Kassensitz für die Arbeit in eigener Praxis als im Erwachsenenbereich.
Das am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Organisationsweiterentwicklungsgesetz (GKV-OrgWG) legt eine Mindestquote bei der Vergabe von Kassensitze vor, die festlegt, dass 20% der Kassensitze für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sichergestellt werden müssen. Die Umsetzung des GKV-OrgWG ist noch nicht abgeschlossen, die gängige Praxis ist, dass diese Sitze bevorzugt an Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen und nicht an Psychologische Psychotherapeut*innen mit Zusatzqualifikation Kinder und Jugendliche vergeben werden.

Warum speziell eine Ausbildung zum Beruf des*der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in (KJP) statt des*der Psychologischen Psychotherapeut*in (PP)?

Der allgemeine Trugschluss besteht darin, dass viele Psycholog*innen denken, sie würden durch eine PP-Ausbildung mit Zusatzcurriculum in KJP so gut ausgebildet, dass sie Erwachsene, Kinder und Jugendliche gleichermaßen kompetent behandeln können. Tatsächlich bereitet das Zusatzcurriculum jedoch nicht umfassend genug auf Behandlungen von Kindern und Jugendlichen vor. Sie lernen hier keine spezifischen Techniken. Weiterhin fehlt häufig grundlegendes Wissen über die Ätiologie und Behandlung psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter, da dies schon im Psychologie-Studium zu kurz kam.
Allen Psycholog*innen, die vordergründiges Interesse an der Behandlung von Kindern und Jugendlichen haben, empfehlen wir daher unbedingt die grundständige Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
Durch die Möglichkeit anschließend mit geringerem Aufwand eine zweite Approbation in Psychologischer Psychotherapie zu erwerben, ist dieser Weg nicht länger eine Einbahnstraße.

Inhalte der Ausbildung

Da die Prüfungen durch eine staatliche Prüfungskommission abgenommen werden, zielt die Ausbildung darauf, die notwendigen Voraussetzungen für die Anmeldung zu dieser Prüfung zu erwerben. Das Bestehen dieser staatlichen Abschlussprüfung stellt die fachliche Voraussetzung für den Erwerb der Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in dar sowie für den Eintrag ins Arztregister. Sie dient so dem Nachweis der Fachkunde im Richtlinienverfahren “Verhaltenstherapie” und ist damit eine Voraussetzung für eine Niederlassung als Vertrags-Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in.

Die verbindliche Basis der Ausbildung ist die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen (KJPsychTh-APrV). (Nähere Informationen beim Regierungspräsidium Stuttgart)

Die Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie setzt sich aus folgenden Bausteinen zusammen:

  • Theoretische Ausbildung
  • Praktische Tätigkeit
  • Praktische Ausbildung (Behandlung unter Supervision)
  • Selbsterfahrung
  • Freie Spitze als ergänzendes Studium

Theoretische Ausbildung

Für die theoretische Ausbildung müssen mindestens 600 Stunden (Unterrichtseinheiten) absolviert werden, davon werden 200 Stunden zu psychotherapeutischen Grundlagen und 400 Stunden im Vertiefungsverfahren Verhaltenstherapie vermittelt. Statt einer Trennung von Grundlagen und Anwendung wird an der TAKT themenorientiert gearbeitet, wobei Grundlagen, Diagnostik, Theorie und die praktische Umsetzung meist auf Störungsbilder und ihre Behandlung ausgerichtet sind. Die Theorie wird in Seminarform abgehalten, sodass eine Arbeit in Kleingruppen und ein individueller praxisnaher Austausch unter Anleitung durch Dozent*innen besteht.

Die Seminare finden in der TAKT-Geschäftsstelle in der Reutlinger Straße 6, 72072 Tübingen, statt. Seminare finden in einer festen Ausbildungsgruppe von etwa 12 bis 16 Teilnehmer*innen für jeden Kurs an einem bestimmten Wochentag statt. Hinzu kommen ca. 10 Blockveranstaltungen (jeweils 1-2 Tage) pro Jahr.

Praktische Tätigkeit

Die praktische Tätigkeit gewährt einen Einblick in die Behandlung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen eine Indikation für Psychotherapie besteht.
Folgende Praktika werden in der praktischen Tätigkeit durchlaufen:

  1. Die einjährige praktische Tätigkeit umfasst mindestens 1200 Stunden und wird in einer kinder- und jugendpsychiatrischen klinischen Einrichtung abgeleistet. Die Kliniken sind alle nach dem ärztlichen Weiterbildungsrecht zur Weiterbildung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ermächtigt. Die mit der TAKT kooperierenden Einrichtungen können den Listen TAKT Praktikumsplätze und TAKT Lehrpraxen entnommen werden. Aufgrund der Gesetzeslage können Praktika nicht vor dem Beginn des Ausbildungsvertrages begonnen werden.
  2. Die halbjährige praktische Tätigkeit umfasst mindestens 600 Stunden und wird in einer Einrichtung der psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung, meist Ambulanzen bzw. Praxen, von Kindern und Jugendlichen absolviert. Die kooperierenden Einrichtungen können auch hier den oben aufgeführten Listen entnommen werden.

Praktische Ausbildung

In der praktischen Ausbildung werden vertiefende Kenntnisse in Verhaltenstherapie und praktische Kompetenzen bei der Behandlung von Störung im Kindes- und Jugendalter erworben. Hierbei umfassen die selbständigen Behandlungsstunden einen Umfang von mindestens 600 Stunden unter regelmäßiger Supervision. Die Behandlung ist vor allem in der psychotherapeutischen Ambulanz der TAKT, den kooperierenden Ambulanzen und in Lehrpraxen möglich. Die jeweiligen Einrichtungen können der Liste entnommen werden. Die Übernahme von Ausbildungsfällen setzt Grundkenntnisse und Selbsterfahrung voraus, weshalb Ausbildungsfälle erst nach dem Absolvieren des Zwischencolloquiums (frühestens nach Absolvierung von 1/3 der theoretischen Ausbildung möglich) begonnen werden können.

Supervision

Die Supervision umfasst mindestens 150 Stunden, wobei mindestens 50 Stunden als Einzelsupervision abgeleistet werden. Die geleisteten Behandlungsstunden werden ungefähr jede dritte bis vierte Sitzung durch von der TAKT anerkannte Supervisor*innen supervidiert. Die Liste anerkannter Supervisor*innen kann der Liste entnommen werden.

Selbsterfahrung

Die Selbsterfahrung setzt sich mit dem Kennenlernen und Reflektieren eigener biografischer Elemente, dem individuellen Erleben und Handeln für die therapeutische Arbeit sowie der Rolle als Therapeut*in auseinander.
Insgesamt müssen 120 Stunden Selbsterfahrung nachgewiesen werden. 90 Stunden davon werden im Gruppenrahmen zu Beginn der Ausbildung angeboten, 30 weitere Stunden sind im Einzelrahmen vorgesehen.